Zwischen Leben und Tod

    Mittel
    Deutsch perfekt 1/2018
    Illustration: Autobahnunfall
    © Hendrik Jonas (Ausschnitt)
    Von Florian Sturm

    Es war ein Abend wie viele andere: In dichthier: mit sehr vielen Autosdichtem Berufsverkehr fuhr ich auf der A9 von München in Richtung Nürnberg nach Hause. In der Nähe der Allianz-Arena sah ich ein Auto, das auf der linken die Fahrspur, -enTeil einer Straße, auf dem Autos in die gleiche Richtung fahrenFahrspur relativziemlichrelativ langsam fuhr. Erlaubt war dort ein das TempoSchnelligkeit: wie viel km/h jemand oder etwas fährtTempo von 120 Kilometer pro Stunde, der Wagen war aber mit circa 60 bis 70 unterwegs. Die Autos vor mir hupenmit einer Konstruktion im Auto Laute produzierenhupten und blinkenin Intervallen Licht reflektierenblinkten, als sie den Wagen rechts überholten.

    Ich dachte in diesem Moment: Der Fahrer hat wahrscheinlich ein Problem mit seinem Wagen, aber aus irgendeinem Grund kann er nicht nach rechts und halten. Also fuhr ich direkt neben ihn. Ich wollte ihm signalisierenhier: mit Gesten mitteilensignalisieren, dass er sein das Warnblinklicht, -erLampe, die in Intervallen Licht reflektiert und dadurch warnt (warnen: sagen, dass man gut aufpassen soll oder dass etwas gefährlich ist; hier: ein Signal geben, dass man langsam fährt, weil etwas nicht in Ordnung ist)Warnblinklicht anmachen sollte. Aber als ich nach links schaute, sah ich: Der Fahrer hing wie tot in seinem der Gurt, -elanges, elastisches Ding, das man im Auto um den Oberkörper legtGurt.
     

    Ich war plötzlich extrem konzentriert.


    Mir war sofort klar …≈ Ich wusste sofort …Mir war sofort klar, dass der Mann dringend Hilfe brauchte. Ich dachte: Diese Person hat wahrscheinlich einen der Herzinfarkt, -eKrankheit: Es kommt nicht mehr genug Blut zum Herzen.Herzinfarkt – da entscheiden die ersten Minuten über Leben und Tod. Ich war plötzlich extrem konzentriert.

    Obwohl sein Auto schon links an der Leitplanke fuhr, blieb es nicht stehen. An dieser Stelle führt die Autobahn noch mehr als 30 Kilometer geradeaus. Die Chance, dass das Auto irgendwo von selbstautomatischvon selbst hält, war sehr gering. Ich musste also etwas tun und das Auto stoppen. Mein erster Gedanke war, den Wagen von der Seite zwischen der die Leitplanke, -n≈ Metallkonstruktion an der Seite bei einer AutobahnLeitplanke und meinem Auto einklemmenhier: stark zwischen … und … drückeneinzuklemmen. Aber dann hätte vermutlich niemand die die Beifahrertür, -enTür neben dem Beifahrersitz (der Beifahrer: Person, die neben dem Fahrer sitzt)Beifahrertür öffnen können, um dem Mann zu helfen. Also fuhr ich vor das Auto und bremste es, bis wir beide zum Stehen kamen.

    Ich lief sofort zur Beifahrertür, anziehenhier: ≈ stabil machenzog die Handbremse anziehenhier: ≈ stabil machenan und ausschaltenhier: ausmachenschaltete den Motor ausschaltenhier: ausmachenaus. Der Mann schwer Luft bekommenugs.: kaum Luft holen und abgeben könnenbekam nur noch schwer Luft bekommenugs.: kaum Luft holen und abgeben könnenschwer Luft. Die erste Hilfe ging dann komplett automatisch. Mein Kopf und Körper haben automatisch funktioniert und mein ganzes Wissen für so eine Situation war sofort da. Wahrscheinlich, weil ich etwas über ein Jahr davor einen der Rettungstauchschein, -eZertifikat, das zeigt, dass man unter Wasser (mit Geräten) schwimmen und jemanden retten kannRettungstauchschein gemacht hatte. Dafür hatte ich nämlich auch einen guten die erste HilfeHilfe, die man sofort nach einem Unfall gibtErste-Hilfe-Kurs gemacht.

    Ich fühlte den Puls des Mannes, versuchte, mit ihm zu reden, öffnete sein Hemd und brachte den Sitz in eine Liegeposition. In der Zwischenzeit kamen eine Frau und zwei Männer zu Hilfe. Sie riefen den Notarzt und absichernein Warndreieck circa 200 Meter hinter das Auto stellen, damit die anderen Verkehrsteilnehmer vor der Unfallstelle gewarnt werden (das Warndreieck, -e: dreieckiges Schild: Es ist innen weiß und außen rot.)sicherten die Unfallstelle nach hinten mit einem Warndreieck ab.
     

    In den Tagen danach bekam ich Reaktionen aus der ganzen Welt. Elon Musk, der Tesla-Chef, hat persönlich alles dafür getan, dass mein Auto kostenlos repariert wird.


    Plötzlich hörte ich Stimmen im Auto – auf dem Autotelefon laufenhier: ugs.: stattfinden; passierenlief noch eine Telefonkonferenz mit fünf Kollegen aus den Niederlanden. Sie fragten natürlich, was passiert war. Ich sagte auch ihnen, dass sie einen einen Notruf absetzen≈ bei Polizei und/oder Feuerwehr anrufen und um Hilfe bittenNotruf absetzen sollen.

    Hinter der Unfallstelle im Stau stehenin einer langen Reihe von Autos stehen, die nicht weiterfahren könnenstanden die anderen Autos inzwischen
    im Stau stehenin einer langen Reihe von Autos stehen, die nicht weiterfahren könnenim Stau, weil wir zwei von drei Fahrspuren blockierten. Vermutlich dauerte es deshalb hier: so, dass man meint, etwas istgefühltgefühlt extrem lange – wahrscheinlich ungefähr 15 Minuten –, bis der Rettungswagen vor Orthier: dort, wo das Auto mit dem Kranken warvor Ort war. Da war ich wirklich sehr froh. So ist der Mann nicht gestorben.

    In den Tagen danach bekam ich Reaktionen aus der ganzen Welt – zum Beispiel aus Mexiko, den USA, Neuseeland, Argentinien, Italien und Frankreich – vermutlich, weil ich einen Tesla fuhr und das so ein ungewöhnlichanders als sonst; speziell; ↔ durchschnittlichungewöhnliches Auto ist. Und wirklich hat Elon Musk, der Tesla-Chef, persönlich alles dafür getan, dass mein Auto kostenlos repariert wird.

     

    Manfred Kick

     

     

    Manfred Kick (42) wohnt in Garching bei München. Situationen wie diese kannte er schon aus seinem Berufsalltag: Seine Firma bereitet Autos für Unfallsimulationen vor. Bei diesen Tests schieben sie andere Autos auf das Hindernis, -sehier: Objekt, das im Weg stehtHindernisse – wie Leitplanken.

     

     

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