Wie geht es eigentlich dem Frauenfußball

    Schwer
    Deutsch perfekt 7/2018
    Damennationalmannschaft
    © Firo Sportphoto/Jürgen Fromme
    Von Astrid Labbert

    das Viertelfinale, -Abschnitt bei einem Turnier, in dem die letzten acht Mannschaften oder Spieler um das Weiterkommen kämpfenViertelfinale 2017 der Europameisterschaft (EM), die Däninnen führen 2:1 gegen Deutschland. Dann ist das Spiel aus, die deutschen Fußballerinnen sinken fassungslossprachlos; schockiertfassungslos zu Boden. ausscheidennicht mehr teilnehmen können, weil man verloren hatAusgeschieden, im Viertelfinale der EM! Auf der anderen Seite kann es eine dänische Spielerin kaum glauben, gegen Deutschland gewonnen zu haben.

    Für den deutschen Frauenfußball war diese EM eine die Zäsur, -enhier: große ÄnderungZäsur. Denn lange Zeit war das deutsche Team der absolute „der Angstgegner, -hier: Mannschaft, die so erfolgreich ist, dass man Angst vor ihr hatAngstgegner“. Jedes internationale Turnier hat es mit dominiert, zweimal seit der ersten Frauen-WM 1991 die Weltmeisterschaft gewonnen, achtmal die Europameisterschaft. Auch 2017 waren die Deutschen die Titelverteidigerin, -nenhier: Frauenmannschaft, die versucht, Weltmeister zu bleibenTitelverteidigerinnen. Doch nach dem frühen Ausscheiden schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ): „Kontrollverlust der Supermacht“.

    Wie so oft gibt es für eine Entwicklung nicht nur einen Grund, sondern viele. Zum Beispiel: Die die Konkurrenzhier: andere FußballmannschaftKonkurrenz wird besser. Viele der Fußballverband, -verbändeFußball-OrganisationFußballverbände haben die Strukturen in ihren Frauenfußballabteilungen professionalisiert. Das das Niveau, -s (franz.)Standard; QualitätNiveau ist stark gestiegen. Das Resultat: harthier: ≈ anstrengend; ≈ rücksichtsloshärtere der Wettbewerb, -ehier: Spiel; TurnierWettbewerbe. Auch Martina Voss-Tecklenburg beobachtet das. Die frühere deutsche Nationalspielerin ist seit 2012 Schweizer Nationaltrainerin. „Es gibt keine bestimmende Nation mehr, sondern mehrere Nationen einen Maßstab setzenKriterium/Norm als ideales Beispiel gebensetzen auf unterschiedliche die Weise, -nArt, wie man etwas machtWeise einen Maßstab setzenKriterium/Norm als ideales Beispiel gebenMaßstäbe: die einen durch ihr physisches das Auftretenhier: Aussehen; FitnessAuftreten, die anderen eherhier: ≈ mehreher fußballerisch oder taktisch“, sagt die 50-Jährige. „Es ist eine sehr inte­ressante Entwicklung.“

    Unter ihrer Führung haben die Schweizerinnen erstmals eine EM und eine WM gespielt. Auch bei Deutschlands anderem Nachbarn Österreich aufwärtsgehenhier: besser werdengeht es aufwärtsgehenhier: besser werdenaufwärts: Im vergangenen Jahr kam die Mannschaft in ihrer ersten EM gleich bis ins Halbfinale und verursachte in ihrer Heimat Euphorie. Und in Deutschland? Schlechte Stimmung. Auf der die Weltrangliste, -nhier: Punkteliste mit der Reihenfolge der besten MannschaftenWeltrangliste stehen die Frauen nur noch auf der Platz, Plätzehier: PositionPlatz 3. Als sie im Herbst ein WM-Qualifikationsspiel gegen das kleine Island verloren, wurde Bundestrainerin Steffi Jones immer mehr kritisiert. Im März verlor sie dann ihr Amt. „Wir haben die große Sorge, dass wir die Qualifikation für die WM 2019 in Frankreich nicht schaffen“, begründete Reinhard Grindel, Präsident des der Deutsche Fußball-BundOrganisation aller deutschen FußballvereineDeutschen Fußball-Bundes (DFB), den Schritt. Die Qualifikation soll bis zum Herbst der |nterimstrainer, -Trainer für kurze Zeit, der sich nur so lange um eine Mannschaft kümmert, bis ein neuer Trainer angestellt wirdInterimstrainer Horst Hrubesch erreichen.

    Der deutsche Frauenfußball ist nicht mehr der der Vorreiter, -hier: Frauenmannschaften, die als Erste Erfolg haben und damit anderen Ländern ein Beispiel gebenVorreiter, der er mal war. Denn früh sich etablierenhier: akzeptiert werden; normal werdenetablierte sich in Deutschland eine nationale erste Liga. 2011 war die Frauen-WM in Deutschland. Der DFB hoffte, dass das die öffentliche die Wahrnehmungvon: wahrnehmen = hier: beachten; akzeptierenWahrnehmung stark verbessern würde. „Aber danach wurde sehr viel verschlafenhier: ugs.: verpassenverschlafen“, meint Daniel Meuren. Der der Sportredakteur, -e (franz.)≈ SportjournalistSportredakteur begleitenhier: beobachten und berichten, was passiertbegleitet den Frauenfußball seit Jahren für die FAZ. Im aktuellen das Formtief, -s≈ schlechte Fitness; ≈ schlechte KonditionFormtief der Fußballerinnen sieht er nicht nur sportliche Gründe, sondern auch strukturelle Fehler im Verband. „Es gab zum Beispiel keine neuen Ideen, um die Bundesliga voranbringenmachen, dass sich etwas weiterentwickeltvoranzubringen.“

    Ein Sonntag, 11 Uhr, der Anpfiff, -eBeginn eines Spiels, der durch einen kurzen, hohen Laut markiert wirdAnpfiff in der Frauen-Bundesliga: Der 1. FFC Frankfurt ist bei Werder Bremen zu Gast. Es ist ein schöner Tag, die Sonne scheint. Aber nur 300 Zuschauer sehen das Spiel. Wenige Stunden später wird im Weserstadion nebenan ein Spiel der Männer-Bundesliga angepfiffen: Werder Bremen gegen Borussia Dortmund: 41 000 Menschen werden es im Stadion sehen, viele weitere im Live-Fernsehen und später in der Sportschau.
     

    Von 1955 bis 1970 war der Frauenfußball in deutschen Fußballvereinen verboten.


    Der „große Bruder“ Männerfußball Fluch und Segen zugleich seinugs.: etwas Schlechtes und Gutes gleichzeitig sein (der Fluch, Flüche: hier: Strafe; Unglück; der Segen: Bitte um Gottes Schutz oder Hilfe für eine andere Person; hier: Glück; wunderbare Sache)ist Fluch und Segen des Frauenfußballs zugleich. Fußball ist die populärste Sportart in Deutschland: Gesprächsthema, Gemeinschaftsgefühl und die Leidenschaft, -enhier: geliebtes HobbyLeidenschaft. Nur gibt es einen feinen Unterschied: Das Interesse ist groß, wenn ihn Männer spielen. Und klein, wenn die Frauen am Ball sind. Jedes Kind kennt Manuel Neuer, Thomas Müller und Mesut Özil. Aber Almuth Schult, Alexandra Popp und Dzse­nifer Marozsán? Eher nicht.

    Fußball ist traditionell ein Männersport. Und ein gigantisches Geschäft, dessen Entwicklung vor Jahrzehnten begann. Dagegen war der Frauenfußball von 1955 bis 1970 in deutschen Fußballvereinen sogar verboten. Es hat also historische Gründe, wenn heute manche den Fußball noch für eine Männersache halten. An der die Haltung, -enhier: ≈ ÜberzeugungHaltung änderten auch die regelmäßigen sportlichen Erfolge der Frauen-Nationalmannschaft nur langsam etwas. Legendär ist der erste EM-Sieg 1989: Der DFB schenkte „den Damen“ als die Prämie, -nhier: Geld oder Gegenstand für einen GewinnerPrämie je ein das Kaffeeservice, - (franz.)komplettes Geschirr für Kaffee und KuchenKaffeeservice. Martina Voss-Tecklenburg hat auch eines zu Hause, damit aber ihren Frieden gefunden: „Wir waren damals die Amateurin, -nen (franz.)hier: ↔ professionelle SpielerinAmateurinnen, es gab überhaupt keine Verträge. Das Service war eine Geste und für uns eher nebensächlichunwichtignebensächlich.“ Wirkliche Anerkennung erfahren≈ positive Reaktionen / Lob bekommenAnerkennung erfuhren sie durch die Zuschauer. „23 000 Leute waren beim Endspiel im Stadion, die Spiele wurden erstmals im Fernsehen übertragen, und danach wollten Leute von uns das Autogramm, -eUnterschrift einer berühmten PersonAutogramme! Das war für uns die größte die Belohnung, -enhier: ≈ Dank für die sportliche LeistungBelohnung.“

    Und heute? Nationalspielerinnen bekommen Geld für ihre der Einsatz, Einsätzehier: sportliche LeistungEinsätze und bei einem Titelgewinn eine Prämie. Lange nicht so hoch wie die der Männer, aber Voss-Tecklenburg findet: „Es wird versucht, die Leistung zu belohnen.“ Sexismus auf Fußballplätzen nimmt sie heute nicht mehr wahr: „Früher gab es sicherlich mal blöde der Spruch, Sprüchehier: ≈ Aussage, die ein Klischee zum Inhalt hatSprüche, aber das hat sich wirklich geändert.“ Da helfen natürlich sportliche Erfolge – das hat sie auch in der Schweiz erlebt: „Die Akzeptanz ist ungleich höher, wenn die Leute erfahren, was die Spielerinnen neben dem Fußball leisten: Sie gehen arbeiten, machen eine Ausbildung oder studieren.“

    Heute spielen in Deutschland laut DFB-Mitgliederstatistik rund 1,1 Millionen Frauen und Mädchen im Verein Fußball. Insgesamt gibt es rund sieben Millionen Mitglieder. Bis zur kompletten Anerkennung dauert es aber noch, meint Meuren. Auch bei den Journalisten. „Die Reputation des Frauenfußballs ist unter Sportjournalisten sehr schlecht. Er wird nicht betrachtet wie Damen-Tennis, -Hockey oder -Volleyball. Bis diese Neutralität da ist, wird es noch Jahrzehnte dauern.“ Nur ganz wenige Zeitungen schicken wie die FAZ einen eigenen Reporter zu internationalen Frauenturnieren.

    Außerhalb der Turniere in den Medien vorzukommen, ist viel schwerer. „Das ist bislang≈ bisherbislang zu wenig, aber auch schwierig neben dem überdimensionierthier: so, dass viel mehr darüber berichtet wirdüberdimensionierten Männerfußball. Das geht anderen Sportarten ja auch so“, meint Voss-Tecklenburg. Aber: „Weltweit spielen über 40 Millionen Frauen Fußball. dieses Interesse bedienenhier: ≈ sich um die Interessierten kümmern und ihnen genug Möglichkeiten anbietenDieses Interesse muss aber dieses Interesse bedienenhier: ≈ sich um die Interessierten kümmern und ihnen genug Möglichkeiten anbietenbedient werden.“

    beitragen zu …hier: helfen, dass sich … entwickeltDazu wird Voss-Tecklenburg bald wieder in Deutschland ihren Teil beitragen zu …hier: helfen, dass sich … entwickeltbeitragen: Im Herbst wird sie die neue Bundestrainerin. Der DFB hat auch ankündigenhier: über Zukünftiges informierenangekündigt, seine Strukturen verbessern zu wollen. Meuren findet, dass das ein gutes Zeichen für die Zukunft ist. Und Voss-Tecklenburg? Sie wünscht sich, „dass sich beide Nationen, Deutschland und die Schweiz, für die WM 2019 qualifizieren. Und dass jetzt alle alle Kraft bündelnhier: ≈ alle, die im Frauenfußball dabei sind, zusammenarbeitenKraft gebündelt wird, um den Frauenfußball Schritt für Schrittallmählich; langsamSchritt für Schritt voranzubringen. Gerade in Deutschland gibt es ja eine hervorragend≈ sehr guthervorragende Basis: Die Liga ist stark und ausgeglichenhier: ohne zu starke Kontrasteausgeglichen.“ Ist also am Ende alles gar nicht so schlimm? Ja, sagt die Expertin, „aber wenn man auf dem Niveau bleiben will, muss man auch kritisch hinsehen und gucken: Wo können wir optimieren?“ Astrid Labbert

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