So gelingt der Small Talk mit Deutschen

    Mittel
    Deutsch perfekt 14/2021
    zwei tanzende Menschen
    © LenaLaPina/Shutterstock.com
    Von Eva Pfeiffer

    Eine Geburtstagsfeier bei einer Kollegin zu Hause. Die anderen Gäste: Fremde. Nach Monaten der sozialen Isolation während der Corona-Pandemie ist das eine ungewohntunbekannt und deshalb seltsamungewohnte Situation – und der perfekte Zeitpunkt für Small Talk. Aber wie funktioniert diese Art des Gesprächs in Deutschland eigentlich?

    „Small Talk ist ein sozialer Tanz, der für Deutsche schwieriger ist als für andere Kulturen“, sagt Susanne Kilian, die Dolmetscherin, -nenFrau, die beruflich Gespräche in eine andere Sprache übersetztDolmetscherin bei den die Vereinten NationenPl. , Organisation, in der die meisten Staaten der Welt Mitglied sind und deren Ziel es ist, Frieden auf der Welt zu schaffen; kurz: UNVereinten Nationen, Autorin und Small-Talk-Trainerin. Sie erklärt: „Die Menschen hier mögen konkrete Informationen und Wissen, aber keine Banalitäten.“ So ist Small Talk in Deutschland etwas speziell – aber nicht unmöglich.

    In dem oben beschriebenen Party-Szenario entdeckt man vielleicht eine Person, die alleine steht. Sie ist eine gute potenzielle Gesprächspartnerin. Eine Unterhaltung mit ihr kann man mit Fragen beginnen wie:
    Woher kennst du unsere die Gastgeberin, -nenFrau, die Gäste einlädt oder gerade Gäste hatGastgeberin?
    Kennst du hier noch andere Gäste?

    Der soziale Kontext entscheidet, ob man Du oder Sie sagt. Auf einer privaten kleinen Feier passt meistens Du.

    Die Menschen hier mögen konkrete Informationen und Wissen, aber keine Banalitäten.

    Ein Gespräch sich entwickelnhier: ≈ werdenentwickelt sich positiv, wenn man die Gemeinsamkeit, -engleiche Erfahrungen, Hobbys oder InteressenGemeinsamkeiten feststellt. Vielleicht wohnen beide Menschen im selbegleicheselben das Stadtviertel, -StadtteilStadtviertel. Oder sie mögen beide das Essen auf der Feier. Darauf folgenhier: Danach kommen …Darauf folgen schon die nächsten Fragen, zum Beispiel:
    Welches Restaurant ist hier besonders gut?
    Welche Spezialität ... sollte ich probieren?hier: … empfehlen Sie mir? / … empfiehlst du mir?sollte ich probieren?
    Was soll ich mir in der Stadt ansehen?

    „Fragen wie diese sind geeignetgut passendgeeignet, weil es um Informationen und Wissen geht“, sagt Kilian. „Das ist für Deutsche eine Motivation, mehr zu erzählen.“ Auch sich ereifernhier: enthusiastisch sprechenereifern sich Menschen gern über Dinge, die sie begeisternhier: ≈ gut gefallen; Freude machenbegeistern. Das können zum Beispiel Sport, Musik, Filme, Bücher oder Freizeitveranstaltungen sein.

    Manche Deutsche reden aber auch besonders gern über Dinge, die sie nicht mögen. Das schlechte Wetter, die unpünktliche Bahn, die hohen Mieten und so weiter – die Liste ist endlosohne Endeendlos. Hier ratenhier: empfehlenrät die Linguistin Katja Kessel, vorsichtig zu sein: „Während und nach dem Small Talk soll man sich gut fühlen. Negative Themen am Laufen haltenugs., hier: dafür sorgen, dass das Gespräch nicht stoppthalten ein Gespräch nur kurz am Laufen haltenugs., hier: dafür sorgen, dass das Gespräch nicht stopptam Laufen. Sie haben keinen positiven Effekt.“

    Für ihre die Doktorarbeit, -ensystematische Untersuchung, die man macht, um den Titel Doktor zu bekommenDoktorarbeit hat Kessel die Small-Talk-Kultur in Deutschland und den USA miteinander verglichen. Sie ergänzt weiterenoch mehrweitere Themen, die erste Gespräche in Deutschland erschwerenhier: schwieriger machenerschweren können: zum Beispiel Krankheit, Tod, Krisen und Geld. Auch Politik und Religion sind heikelschwierigheikel – obwohl diese zwei Themen Menschen auch verbindenhier: zusammenbringenverbinden können: „Wenn man hier ähnliche Meinungen hat, kann aus dem Small Talk im besten Fall ein intensives Gespräch werden“, sagt Kessel.

    Auch Kilian empfiehlt beim Small Talk einen positiven der Tonhier: Art, in der ein Gespräch stattfindetTon. So stellt man auf der Geburtstagsfeier vielleicht fest:
    Was für ein schöne Wohnung!
    Das Essen ist wirklich lecker.

    Etwas speziell sind Deutsche aber bei Komplimenten. „Manche Menschen wissen nicht, wie sie auf ein Kompliment reagieren sollen“, sagt Kilian. „Zum Beispiel, wenn ich das Kleid meiner Gesprächspartnerin lobe. Dann erklärt sie vielleicht, wie alt das Kleid schon ist – oder dass es ein Sonderangebot war.“

    Ein anderer besondere (-r/-s)hier: spezielle (-r/-s)besonderer Aspekt beim Small Talk mit Deutschen ist die Frage: Wie geht es dir/Ihnen? In den USA, England und anderen Ländern ist der Satz einfach eine Begrüßung. Dort erwartet niemand eine detaillierte Antwort. Viele Deutsche ernst nehmenhier: ≈ verstehennehmen die Frage aber sehr ernst nehmenhier: ≈ verstehenernst – und geben darauf womöglichvielleichtwomöglich mehr Informationen, als man hören möchte. Kilian: „Die Frage ist für einen Gesprächsbeginn kein Tabu. Aber es kann sein, dass ich danach sehr viel über die Krankheitsgeschichte der Person weiß.“

    Mit den beschriebenen Tipps klappt der Small Talk auf einer privaten Feier bestimmt besser. Aber helfen sie auch im beruflichen Kontext? Oder geltenhier: richtig sein; die Norm seingelten dort andere Regeln? „Das hängt von der Firmenkultur ab“, sagt Linguistin Kessel. „In Firmen mit einer starken Hierarchie ist Small Talk schwieriger. Dann passen auch nicht alle Themen.“

    Im Beruf ist die Firmenkultur entscheidend: Hierarchien machen Small Talk schwieriger.

    Ein populärer Ort für kurze Unterhaltungen am Arbeitsplatz ist die die Kaffeeküche, -nkleine Küche in einer FirmaKaffeeküche. Was sagt man, wenn man dort dem Chef begegnenzufällig treffenbegegnet? „Nach einer höflichen Begrüßung sollte das weitere Gespräch ausgehen vonhier: kommen vonvom Chef ausgehen vonhier: kommen vonausgehen“, antwortet Kessel. „Natürlich kann man selbst auch etwas sagen. Zum Beispiel über das Mittagessen in der Kantine, nur nichts zu Privates. Aber dann man sollte ...hier: es ist besser, wenn man …sollte man warten, ob die Person Interesse an einem Gespräch zeigt.“

    Und wenn man seine Chefin im Aufzug trifft und von ihr partout (franz.)ugs.: absolut; auf jeden Fallpartout nicht mehr als Guten Morgen kommt? „Dann schweigennichts sagenschweigt man besser, auch wenn es unangenehm ist“, rät Kessel. Anders ist die Situation in Firmen mit einer egalitären Kultur. Dort ist die Atmosphäre informeller und Small Talk sich gestaltenhier: seingestaltet sich meistens einfacher.

    Wann spreche ich mit wem über was – und wie viel? Das ist auch für Deutsche häufigofthäufig eine schwierige Frage. Aber Expertin Kilian macht Hoffnung: „Man kann Small Talk lernen und üben.“ Schließlich können die Gespräche viele positive Effekte haben. Sie herstellenhier: ≈ machenstellen emotionale Nähe und eine freundliche Atmosphäre herstellenhier: ≈ machenher. Und sie können dabei helfen, einen schönen Abend zu verbringen und andere Menschen kennenzulernen.

    Für Deutschlernende bedeuten Small-Talk-Situationen manchmal ziemlich viel Stress. Vielleicht kennen sie Kultur und soziale Etikette im Land noch nicht so gut. Und vor allem hemmenhier: blockierenhemmt sie die Sprachbarriere. „Das sagt man am besten ganz offenhier: ehrlichoffen“, empfiehlt Kessel.

    So kann man eine Unterhaltung mit Sätzen beginnen wie:
    Mein Deutsch ist noch nicht so gut, und ich möchte die Sprache gern lernen. Ich kann Sie aber schon ganz gut verstehen.

    „Die andere Person wird bestimmt verständnisvoll≈ so, dass man versteht, was eine andere Person meintverständnisvoll reagieren und versuchen, deutlich zu sprechen“, sagt Kessel. Außerdem sich ergeben aushier: ≈ passieren durch; kommen wegenergeben sich daraus gleich eine Mengeugs.: sehr vieleeine Menge Gesprächsthemen – zum Beispiel, wie lange man schon Deutsch lernt oder wie es einem im Land gefällt.

    Mit Small Talk hat Ghaith Samakeh gute Erfahrungen gemacht. Er kam vor fünf Jahren aus Syrien nach Deutschland. „Wir Ausländer denken zu viel nach und haben zu viel Angst vor Fehlern beim Sprechen“, stellt der 24-Jährige fest. „Aber eigentlich ist Small Talk auf Deutsch leicht. Man unterhält sich über ein interessantes Thema und lernt nebenbeihier: ≈ außerdemnebenbei die Sprache. Wenn man in kurzen Sätzen spricht, wird es noch einfacher.“

    Kilian appelliert an das das Verständnishier: ≈ AkzeptanzVerständnis der Deutschlernenden: „Ausländerinnen sollen bitte nicht enttäuscht sein, wenn der erste Small Talk hier nicht perfekt läuft. Es kann gut sein, dass die andere Person selbst nicht weiß, was sie sagen soll. Die Deutschen können da noch viel von anderen Kulturen lernen“, meint die Dolmetscherin. Sie ergänzt: „Die Pandemie mit reduzierten sozialen Kontakten und weniger Möglichkeiten zum Small Talk hat uns natürlich auch nicht geholfen.“

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