Kinderfotos ins Internet stellen?

    Schwer
    Deutsch perfekt 3/2017
    Mutter mit Smartphone
    © pixdeluxe/istock.com
    Von Claudia May

    Ja

    „Ich zeige Kinder so, wie ich auch mich selbst zeigen würde.“

    Ich finde, Kinder müssen auch im Internet sichtbarhier: so, dass sie existieren; so, dass man sie sehen kannsichtbar sein. Sie gehören zu unserer Gesellschaft dazu. Sie nicht zu zeigen, würde bedeuten, sie unsichtbar zu machen. Wie in einem Ruhebereich für Erwachsene, wo sie draußen bleiben müssen. Das ist doch nicht das Leben!

    Auf meinem Familienblog Mama und die die Matschhose, -nugs.: Hose aus einem Material, durch das kein Wasser kommt, und die leicht zu reinigen ist (der Matsch: ugs.: nasse, schmutzige Erde)Matschhose veröffentliche ich Bilder, bei denen die Kinder unbedingt dazugehören. Ein Bild eines leeren Spielplatzes? Ein Freizeitpark, in dem kein einziges≈ wirklich keinkein einziges Kind zu sehen ist? Das wäre eine die Mondlandschaft, -enLandschaft ohne Vegetation und mit seltsamen Formationen, die wie die Mondoberfläche aussieht; hier: unnatürliches SzenarioMondlandschaft! Es geht für mich also nicht darum, ob ich sie zeige, sondern um die Frage, wie ich das tue. Und für das Wie gilt: Ich zeige sie so, wie ich auch mich selbst oder meinen Ehemann zeigen würde. Das heißt, bestimmt nicht in peinlichunangenehm vor anderenpeinlichen Situationen. Nicht mit einem essensverschmierthier: so, dass z. B. Soßenreste um den Mund sindessensverschmierten Mund, nicht fiebernd, nicht auf der Toilette. Auch nicht beim Schlafen, das ist viel zu intim! Ich zeige Kinder, die auf dem Spielplatz tobenhier: beim Spielen Lärm machen und sich viel bewegentoben, die basteln.

    Ich achte darauf, dass das Gesicht des Kindes nicht besonders deutlich zu erkennen ist. Es geht auf dem Blog nicht darum, mein Kind zu zeigen, das mache ich nur im privaten Fotoalbum. Also nicht: „Schaut mal alle, wie süß mein Kind ist!“ Es geht mir darum, etwas kindgerechtgut passend für KinderKindgerechtes zu beschreiben: „Schaut, das können auch schon Kindergartenkinder basteln!“

    Oft reichenhier: genug seinreicht es für diesen Zweck auch, nur einen der Ausschnitt, -ehier: TeilAusschnitt zu zeigen: die Hände des Kindes, das Kind von hinten. Dasselbe gilt übrigens auch für Texte, die genauso wohlüberlegtgut überlegt; genau überlegtwohlüberlegt sein sollten wie Bilder. Keiner wird etwas über potenzielle Allergien erfahren oder über potenzielles Kindergarten-Mobbing. Für Texte im Netz gelten für mich dieselben Regeln wie für Bilder.

    Nadine Luck ist Journalistin und Autorin. Sie schreibt den Familienblog mama-und-die-matschhose.de.
     

    Nein

    „Bilder, die einmal im Netz veröffentlicht werden, können nie mehr zurückgeholt werden.“

    Wäre es normal, wenn Eltern Bilder ihrer Kinder völlig Fremden auf der Straße mitgeben? Oder die Bilder an jede die Straßenlaterne, -n≈ große Lampe neben der StraßeStraßenlaterne hängen? Vermutlich nicht.

    Millionen von Menschen machen aber genau dies, jeden Moment im der digitale Straßenverkehrgemeint ist hier: Internetdigitalen Straßenverkehr. Eine die Studie, -n ,wissenschaftliche UntersuchungStudie aus den USA ergab, dass 90 Prozent der unter zweijährigen Kinder schon in irgendeiner Form im digitalen Raumhier: ≈ auf einem Computer und im Internetim digitalen Raum präsent seinhier: durch Fotos und/oder andere Daten bekannt seinpräsent sind.

    Kinderbilder haben im ... nichts verlorenugs.: dürfen nicht im … seinhaben im Internet haben im ... nichts verlorenugs.: dürfen nicht im … seinnichts verloren. Denn Kinder können nicht selbst bestimmen, wie sie im Internet auftretenhier: sich zeigenauftreten wollen. Erwachsene posten die Fotos und schaffenhier: entstehen lassenschaffen so schon eine Art digitale Identität des Kindes. Auch kann heute noch gar nicht absehenhier: eine Prognose machenabgesehen werden, welche die Auswirkung, -enEffekt; KonsequenzAuswirkungen diese Bilder auf das zukünftige Leben der Kinder haben. Aber Bilder, die einmal im Netz veröffentlicht werden, können faktischhier: tatsächlichfaktisch nie mehr zurückgeholt werden. Gleichzeitig kann jedes Foto durch Straftäter – darunterhier: in dieser Gruppedarunter finden sich auch Sexualtäter – ausnutzenzum eigenen Vorteil benutzenausgenutzt werden.

    Häufig sind es außerdem die Eltern oder andere Verwandte, die diese Bilder veröffentlichen. Damit sind sie aber auch ein schlechtes das Vorbild, -erhier: negatives BeispielVorbild, denn diese Bilder dienen ja nicht den Kindern. vielmehr≈ im GegenteilVielmehr posten diese Erwachsenen die Bilder, um anderen zu zeigen, wie stolz sie auf ihren der NachwuchsKinderNachwuchs sind. Diesen Kindern wird dadurch aber schon in jüngsten Jahren eine Form des digitalen Narzissmus vermittelnhier: erklären; zeigenvermittelt: Es sei völlig unproblematisch, sich im Internet zu präsentieren. Wenn diese Kinder dann älter werden, wird es umso schwieriger werden, ihnen etwas Wichtiges zu vermitteln: Dass sie vorsichtig mit der Veröffentlichung von privaten Bildern und persönlichen Informationen im Internet sein müssen.

    Thomas-Gabriel Rüdiger ist Kriminologe am Institut für Polizeiwissenschaft der Fachhochschule der Polizei des Landes Brandenburg.

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