Fühlt er zu viel?

    Schwer
    Deutsch perfekt Audio 4/2022
    Farbe
    © Suppakorn Somnuk/iStock.com
    Von Florian Koch

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    Transkript: Fühlt er zu viel?

    Die Gefühle und Stimmungen anderer machen auf sie einen intensiveren Eindruck. Starker Lärm und helles Licht können für sie extra Stress bedeuten. Sie besitzen besonders viel Empathie: Menschen mit Hochsensibilität. Forscher vermuten, dass circa 15 - 20 Prozent aller Menschen hochsensibel sind. Obwohl die Forschung keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen sieht, scheint das Thema bei Männern ein Tabu zu sein. Florian Koch hat für unsere Reportage mit einem hochsensiblen Mann gesprochen.

    „Als ich mit Ende 20 stoßen aufhier: entdeckenauf den der Begriff, -eWortBegriff Hochsensibilität stoßen aufhier: entdeckengestoßen bin, war das einerseits eine Befreiung, weil ich nun endlich einen Namen für dieses Gefühl, anders zu sein, hatte, und ich wusste: Ich muss keine der Selbstzweifel, -Unsicherheit, gut genug zu seinSelbstzweifel mehr haben. Aber gleichzeitighier: im Gegensatz dazugleichzeitig war da auch die die Erkenntnis, -sevon: erkennen = hier: feststellenErkenntnis, dass es wohl immer so sein wird, dass ich mich in einem gewissen Maße≈ auf eine spezielle Artin einem gewissen Maße unverstanden und nicht zugehörighier: als Teil von einer Gruppezugehörig fühlen werde. Und das ist etwas, das ich erst mal lernen musste, für mich zu akzeptieren.“

    Sebastian Kraus ist hochsensibel, und das Spezielle dabei: Er spricht darüber. Der 33-Jährige aus dem hessischen Marburg ist Selbstständiger in der Medienbranche und hatte schon früh das Gefühl, „anders“ zu sein.

    „Gespürt habe ich es schon als Kind. Nur hatte das ‚Kind‘ da noch keinen Namen. Ich hatte schon auf dem der Schulhof, -höfePlatz in der Schule zum Spielen in der PauseSchulhof das Gefühl, da ist eine Art unsichtbarnicht zu sehen; hier auch: nicht zu bemerkenunsichtbare Wand zwischen mir und meinen der Mitschüler, -anderer Schüler in derselben Klasse / auf derselben SchuleMitschülern, obwohl ich Freunde und Bekannte hatte. Ich habe gemerkt, dass ich ‚anders‘ bin, dass die anderen etwas etwas Grundlegendesgrundsätzlicher AspektGrundlegendes gemeinsam haben≈ als gleiche Sache habengemeinsam haben, was ich nicht teilen mithier: gemeinsam habenmit ihnen teilen mithier: gemeinsam habenteile, dass ich nirgendwonirgendsnirgendwo so richtig reinpasse und mich nirgendwo so richtig zugehörig fühle.“

    Diagnostizieren kann man Hochsensibilität bisher nicht. Das ist auch nicht nötig, erklärt Iris Lasta. Als psychologische Beraterin unterstützt sie Hochsensible bei der Orientierung im Alltag. Sie erklärt, dass Hochsensibilität keine Krankheit, sondern ein Teil einer Persönlichkeit ist. Insgesamt kommen mehr Frauen zu ihr in die Beratung. Lasta kann sich vorstellen, dass es für hochsensible Männer gesellschaftlich schwieriger ist, sich beraten zu lassen. In einer Gesprächsgruppe, die sie einige Jahre leitete, berichteten Männer oft von ihren Schwierigkeiten mit den Erwartungen an sie als Mann. Die Gesellschaft macht es dabei nicht einfach, dieses paradoxe Pro­blem zu lösen.

    „Wie viel wird von mir erwartet als ‚Stereotyp Mann‘, wie viel wird von mir erwartet als männlicher Arbeitnehmer, und wie viel darf ich aber auch von meiner sensiblen die Seite, -nhier: Aspekt des CharaktersSeite zeigen, sodass ich mich selberugs.: selbstselber als vollständigkomplettvollständig und ganz fühle?“

    Als „hochsensibler“ Mann kennt Kraus dieses Stereotyp. Freunde zu finden, ist für ihn deshalb nicht immer einfach.

    „Ich denke, dass viele Männer Angst haben, (etwas) wahrnehmen alshier: meinen, dass etwas … istals unmännlich (etwas) wahrnehmen alshier: meinen, dass etwas … istwahrgenommen zu werden. Denn auch, wenn die alten das Rollenbild, -er≈ Idee davon, wie ein Mensch in seiner typischen Rolle sein sollRollenbilder – zum Glück – zunehmend an Bedeutung verlieren, passt ein Mann, der sich selbst gegenüber sehr sensibel ist, nach wie vornoch immernach wie vor nicht in das Männerbild. Und das meine ich jetzt gar nicht nur auf den partnerschaftlichen Bereich bezogen. Ich glaube, und das ist auch meine persönliche Erfahrung, dass es für hochsensible Männer sehr schwierig ist, einen männlichen der Freundeskreis, -eGruppe von FreundenFreundeskreis zu finden, in dem sie ihre Hochsensibilität offenhier: ehrlichoffen zeigen können, ohne dafür  mit Argwohn 
betrachtenhier: skeptisch sein, weil man meint, dass … nicht richtig sein kannmit Argwohn betrachtet oder belächelnhier: lachen, weil man meint, dass … weniger wert istbelächelt zu werden.“

    Obwohl seine Hochsensibilität für manche nur schwer zu verstehen ist, spricht Kraus offen darüber. Auf seiner Website ich-bin-hochsensibel.de schreibt er über seine Erfahrungen privat und im Beruf. Hochsensibel zu sein, sieht er immer wieder auch als die Bereicherung, -enhier: positives Extra im LebenBereicherung. Eine Perspektive, die auch anderen Männern in der Gesellschaft helfen könnte, mit ihrer hochsensiblen Art glücklich zu leben. eintauschenetwas geben und etwas anderes dafür bekommenEintauschen wollen würde Kraus seine Hochsensibilität nämlich nicht.

    „Einerseits ist es ein Geschenk, das Leben facettenreichin vielen Facettenfacettenreicher wahrnehmenhier: erkennenwahrzunehmen, aber gleichzeitig hinterfragensich fragen, ob … richtig isthinterfrage ich oft mehr, als gut für mich ist. Sich und seine die Umwelthier: direkte UmgebungUmwelt so detailreichin vielen Detailsdetailreich zu erleben, ist aber auch eine große Bereicherung. insofern≈ in der ArtInsofern würde ich meine Hochsensibilität nicht eintauschen wollen, weil es zwar ein anstrengendes, aber auch ein sehr erfüllendso, dass es glücklich machterfüllendes Leben ist.“

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